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Verfasst am 07.07.2020 um 13:01 Uhr

Wenn Parzellen und Lauben erzählen könnten...      

Das Projekt „Sprechende Gärten“ macht Infos und Geschichten zur KGA Zingertal hörbar    

Guten Tag. Herzlich willkommen auf dem Gelände der Kleingartenanlage Zingertal! – Eine schwungvolle Männerstimme begrüßt Besucher am Eingang und erzählt Wissenswertes zu der malerisch gelegenen Laubenkolonie in Niederschönhausen. Zu hören ist der Sprecher auf dem Handy, wenn man vorher eine der bunten Tafeln an den drei Toren der Anlage gescannt hat. Seit August 2019 hängen Schilder mit QR-Codes auf dem Gelände der Kleingartenkolonie direkt am Volkspark Schönholzer Heide. Zu finden sind sie nicht nur an den Eingängen, sondern auch an mehreren sehenswerten Stellen innerhalb der Anlage.


Einer der sprechenden Gärten der KGA Zingertal.

Die Quadrate mit schwarzweißen Pixelmustern liefern per Mobiltelefon den direkten Link zu kleinen, einminütigen Audio-Dateien, in denen der Verein sich präsentiert: Was macht diese Anlage aus? Was ist den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern wichtig? Was stellen sie auf die Beine? Und warum sind ihre Gärten bewahrenswert?


Die Idee kam aus England

Das Projekt namens „Sprechende Gärten“ ist eine neuartige Form der Selbstdarstellung. Initiiert wurde sie von Manfred Lilge, der in Zingertal zusammen mit seiner Frau einen Garten bewirtschaftet. „Sie ist die Pächterin, ich darf mithelfen“, lacht er. Der ausgebildete Informatiker hat vor vier Jahren bereits die Website für den Verein gebaut. Dann kam die Idee zu dem neuartigen Informationsangebot. „Wir waren letztes Jahr in England – das war der Auslöser“, erzählt Lilge. Denn in den üppigen Gartenanlagen des Vereinigten Königreiches traf er vielerorts auf QR-Codes. Die „Talking Gardens“ verraten dort zumeist Spezifika der botanischen Schätze, die der Besucher vor Augen hat.


Zurück in Berlin, spann Lilge die Idee für seinen Kleingartenverein weiter. Zusammen mit drei weiteren Vereinsmitgliedern entwickelte er die „Sprechenden Gärten“ in Zingertal. Die zunächst sieben Hörstationen haben eine eindeutige Stoßrichtung: Es geht um die öffentliche Wahrnehmung der Anlage. „Meine Motivation ist eine neue Sichtweise auf die Kleingärten“, sagt Lilge. „Die Parzelle gehört nicht dem Pächter, sondern er verwaltet sie nur für die Allgemeinheit.“ Deshalb richten sich die gesprochenen Botschaften auch gezielt an Außenstehende. „Das ist für die Passanten gedacht und auch mit einer Einladung verbunden: Kommt herein!“


Beispiel-QR-Code, den man mit dem Smartphone einscannen und sogleich online "abhören" kann.

Engagement für die Umgebung

Dass Kleingärtner eine öffentliche Aufgabe erfüllen und auch für die Stadt da sein sollen – diese Überzeugung praktizieren die Zingertal-Gärtner schon länger. Die Tore sind in der Saison für Besucher geöffnet, es gibt eine Kooperation mit dem Kinderladen Timpetu, und auch Gruppen aus anderen Kindergärten kommen vorbei, um Natur zu erleben und erste gärtnerische Erfahrungen zu sammeln.


Ein 80 m langer Naturlehrpfad umfasst unter anderem ein gemeinsam mit dem Kinderladen errichtetes Insektenhotel und einen Barfußweg, auf dem unterschiedlichste Materialien mit den bloßen Fußsohlen ertastet werden und durch sanfte Massage zur Entspannung beitragen können. An beiden Stationen sind auch Informationen per QR-Code abrufbar. So erfährt man etwa, warum das Insektenhotel wichtig für den Artenschutz ist und dass dort Wildbienen, Schlupf- und Brackwespen, Marienkäfer, Ohrwürmer und Schmetterlinge wohnen.


Bei den Hörtexten geht es aber auch um Politik – um Kleingartenpolitik. Denn die Parzelle 58 hat eine besondere Geschichte zu erzählen: die Vergangenheit ihrer Gartenlaube. Das Blockhaus stand bis 2016 in der Wilmersdorfer Kolonie Oeynhausen. Doch dort fielen 150 Gärten einem Wohnungsbauprojekt zum Opfer, die Hälfte der Anlage musste geräumt werden. Eine der abgebauten Lauben wurde nach Zingertal verkauft und auf dieser Parzelle wieder aufgestellt. „Kleingärten sind Klimaoasen, doch immer häufiger müssen sie großen Bauprojekten weichen“, heißt es im Hörtext. Zugleich wird erklärt, was im Fall Oeynhausen schiefgelaufen ist und warum die beräumten Flächen schließlich anderthalb Jahre brachlagen.


Es wird auch über Ökologisches und Politisches gesprochen.

Manfred Lilge ist sicher: Die „sprechenden Gärten“ sind noch längst nicht vollständig. Es gibt noch viele interessante Episoden, Einzelheiten und Zusammenhänge in seiner Anlage, die es sich zu erzählen und weiterzugeben lohnt. Dafür möchte er die Mitpächter gewinnen. „Es haben sich schon einige Leute gemeldet, die interessiert sind und Ideen haben. Wir hoffen, dieses Jahr wieder drei zu finden, die ihre Geschichte für einen ‚sprechenden Garten‘ beisteuern.“


Weitere Erzählungen sollen hinzukommen

Die bisherigen Texte wurden von einem professionellen Sprecheraufgenommen, der Vereinsmitglied ist. Doch Lilge möchte die Gartenfreunde ermutigen, auch selbst zu sprechen und so ihren kurzen Erzählungen eine persönliche Note zu geben. Der Aufwand sei überschaubar, sagt der Informatiker. Eine Audio-Datei kann jeder am eigenen Computer oder Handy aufzeichnen, hochgeladen wird sie dann auf denselben Server, auf dem die Website des Vereins bereits liegt. Die QR-Codes können mit einem kostenlosen Tool wie „QR Code Monkey“ generiert werden, erklärt Manfred Lilge. „Und das Schild lässt sich für weniger als einen Euro in einem Copy-Shop farbig ausdrucken und laminieren.“


Der IT-erfahrene Kleingärtner hat bei den „Sprechenden Gärten“ aber noch eine zusätzliche Funktion eingebaut. „Wir zählen, wie häufig welche QR-Codes aufgerufen werden“, erzählt er. So konnte er beispielsweise feststellen, dass am Eingang Friesenstraße direkt an der Schönholzer Heide die meisten Aufrufe erfolgen. Dort dürfte seit dem vergangenen Sommer wohl schon so mancher neugierige Passant der einladenden Stimme gefolgt sein und einen Erkundungsgang durch die Anlage unternommen haben.


Klaus Pranger

Redakteur des Berliner Gartenfreund


Dieser Artikel erschien in der Juli-Ausgabe 2020 in der Verbandszeitschrift 'Berliner Gartenfreund" und mit freundlicher Genehmigung des Verlags W. Wächter auch hier. 



Vorgeschmack

Sie wollen mal reinhören? Hier als Vorgeschmack ein paar der bisherigen Links. Aber am schönsten ist es, vor Ort zu sein:

Willkommen: https://www.kga-zingertal.de/sprechende_gaerten/?qr=75FAE605
Ökologisches: https://www.kga-zingertal.de/sprechende_gaerten/?qr=E976E468
Politisches: https://www.kga-zingertal.de/sprechende_gaerten/?qr=AF4B3485


Fotos: Marion Kwart